Der Harold, die älteste und berühmteste Langform im Improtheater, hat mehr Auswirkungen auf unsere Kultur, als ich das bisher vermutete. Die großartige Tara DeFrancisco überraschte mich mit der Aussage, das etliche Filme und Serien auf einer Harold-Struktur beruhen.
Jede Episode der überaus erfolgreichen Serie Seinfeld ist ein Harold. Die Serie lief in 9 Staffeln von 1989 bis 1998. In jeder Folge bearbeiten sie ein übergeordnetes Theama auch verschiedenen Sichtwinkeln. Dabei sind die Treffen im Diner die jeweiligen Group Games, in den ersten Staffeln auch die Standup-Auftritte von Jerry Seinfeld, die nochmal das Geschehen der Episode reflektierten. Die Serie wurde gerade für ihr Drehbuch hochdekoriert. Die Writers Guild of America wählte Seinfeld auf Platz 2 der 101 Best Written TV Series hinter Die Sopranos. Ebenso war Seinfeld die beliebteste Serie der USA in den 90er Jahren, was bedeutet, das sich Qualität und Erfolg nicht ausschließen.
Die seit 2009 in bisher 5 Staffeln erschienen Serie Modern Family folgt ebenso einer Harold-Struktur pro Episode, die mit 22 Minuten die klassische Länge einer Harold-Show im Chicago-Style haben. Die Serie um eine große Patchwork-Familie folgt drei Familien: der neuen Familie von Vater Jay (der Al Bundy Darsteller Ed O’Neill hier in ernsthaft und überzeugend) und den Familien seiner erwachsenen Tochter und seines ebenfalls erwachsenen Sohnes. Auch hier ist ein übergeordnetes Thema pro Eposide vorhanden und die Treffen der Großfamilie sind die Groupgames zwischen den 3 Beats. Auch Modern Family ist ebenso Kritikerliebling und mit Auszeichnungen überschüttet wie auch beim Publikum äußerst beliebt.
Aber auch Filme nutzen die Haroldstruktur, auch wenn die Spielfilmlänge Umstellungen in der Struktur verlangen. Bei Magnolia von 1999 (Regie Paul Thomas Anderson) kreuzen sich die Wege neun verschiedener Personen (u.a. Tom Cruise, Julianne Moore und Philip Seymour Hoffman), die von ihren Vätern missbraucht oder im Stich gelassen wurden.
Die Beziehungen zwischen den erst einmal unabhängigen Episoden und Personen ergeben sich dabei im Laufe der Zeit. Ein Sprecher sorgt hier für das Opening und das verbindende Element am Ende, ebenso liefert die Titelmusik inspiration für die spätere Handlung. Magnolia gewann den Goldenen Bären, Tom Cruise erhielt den Golden Globe als bester Nebendarsteller.
Der Film L.A. Crash von Paul Haggis aus dem Jahre 2004 zeigt 24 Stunden aus dem Leben verschiedener Personen (u.a. Sandra Bullock, Matt Dillon und Ryan Phillippe), der Schicksale miteinander verkettet sind. Der Film benötigte 5 Jahre an Vorbereitung, um in nur 36 Stunden gedreht zu werden. Er gewann mehrere Oscars, u.a. als Bester Film.
Die Komödie Accidentally in Love von 2011 soll ebenso ein Harold sein, das ist nun auf meiner Watchlist. Ebenso bedient sich die Serie Lass es, Larry! (Orginaltitel: Curb Your Enthusiasm) über Larry David, dem Mastermind der Sitcom Seinfeld passenderweise der gleichen Struktur.
Da werde ich wohl demnächst Filme und Serien noch mal mit ganz anderen Augen sehen. Wo fallen euch noch Beispiele ein, die dieser Struktur folgen?
Harold - Teil 1: Strukur
Harold - Teil 2: Group Opening
Harold - Teil 3: Die Aufteilung der Beats