Am jedem Sonntag Abend gibt es im Playground Theater in Chicago bei Free for All je drei verschiedene Gruppen zu sehen, die dort Langform zeigen. Der Eintritt ist frei (Spende erbeten), es geht hier ums probieren und experimentieren.
Das Playground wurde 1997 eröffnet und ist das einzige als Co-Op organisierte non-profit Theater der USA, das sich ausschließlich der Kunstform Improtheater verschrieben hat. Es sind etwa 200 Spieler in verschiedenen Gruppen sowie des internen Hausensembles Member-at-large ehrenamtlich tätig. Im hübschen Lake View Destrict liegend fasst es etwa 60 Zuschauer.
Als erstes Team stand Delirious Confetti auf der Bühne. Mit einer Vorgabe - Kolumbien - setzten die 6 Spieler eine Reihe von Szenen, die sehr elegant mit Wechsel des Focus ineinander geblendet wurden. Der Spieler des Haupthelden hatte eine sehr negative Tendenz, was den Basisbau erschwerte. Ein anderes Bühnenmittel - der sportlische Trashtalk, also die Charaktere beleidigen die anderen Charaktere - wurde viel eingesetzt, was ebenfalls so einen negativen Grundton erzeugt. Trotzdem haben die 4 männlichen Mitspieler und die eine weibliche Akteurin daraus unterhaltsame Geschichten gebaut. Eine laute Hupe nach exact 30 Minuten beendete mitten im Satz die Geschichte.
Als zweites waren die Nice Guys zu sehen. Auch hier wurde mit einer Vorgabe - Untertasse -direkt szenisch losgespielt. Etwas statisch beginnend haben die vier Spieler und eine Spielerin Beziehungen aufgebaut. Auch hier sah man schon viele gute Ansätze, aber auch einige Monsterblocks. Auch die Nice Guys waren gut anzuschauen.
Nach nochmaliger Sirene kam als dritte Gruppe koleno auf die Bühne. Die fünf Herren spielten mit der Vorgabe Hippies los. Alle drei Gruppen scheuten sich nicht vor Szenen mit allen Spielern auf der Bühne, die Umsetzung von koleno überzeugte dabei durch geschickte Bühnenchoreographie wie auch einer Wahrhaftigkeit. Die physische Präsenz und Wandelbarkeit der Spieler war wundervoll anzusehen. Die anfangs sehr lose zusammenhängend wirkenden Szenen wurden schlussendlich perfekt in die Anfangsszene überführt und schloßen den Kreis.
"Free for All" ist ein toller Experimentierplatz, der sich anzuschauen lohnt, und es sind wirkliche Perlen dabei zu entdecken. Da spende ich gern ein paar Bucks für.
Das Annoyance Theater in Chicago ist bekannt dafür, subversive und experimentelle Ansätze auf die Impro-Bühne zu bringen. Vor 25 Jahren mit einem Splatter-Musical gestartet wird dort sowohl geskriptetes Theater (da oft auf Improvisation basierende Scripts) und reines Impro-Theater gespielt. Das Theater hat etwa 100 Sitzplätze und war gut gefüllt.
Im Samstagnachtprogramm geht es relativ nakt zu: um 22:00 Burlesque is more und um 00:00 Skinprov.
In der Show Burlesque is more werden vom Host des Abends und Club Owner, Nick Divencenzo jede der sieben Damen als schon feststehender Charakter vorgestellt. Eine vom Publikum eingeholte Vorgabe (neugierig sein / bespitzeln) wird in kurzen Gruppenszenen aufgegriffen. Den Hauptteil der Show bilden Monologe der Damen, die jeweils in einem Striptease münden, nach Burlesque-Art endend mit kreativ abgedeckten Brustwarzen. Dabei wirken die gut ausgespielten Monologe für mich als schon vorher ausgearbeitet. Abwechselnd zu sehen sind der Host mit Stand-Up Comedy und Gruppentanzszenen, in denen die Beteiligten sichtlich sehr viel Spaß haben, Striptease ad absurdum zu führen. Der Improanteil in den Plott-Szenen der Show ist verschwindend klein, die Story ist so hauchdünn, das man sie durchaus auch komplett übersehen könnte. Das allerdings schreiben sie auch in der Showankündigung, also zumindest kann man sich darauf vorbereiten.
Nach den Damen finden sich um Mitternacht 16 Herren auf der Bühne zu Skinprov ein. Diesmal ist die Show komplett improvisiert. Ziel der Show ist es, das alle Spieler zum Schluß in Boxershorts auf der Bühne sind, wie vom Artistic Director und Gründer des Annoyance, Nick Napier erklärt. Das wird mit einer ersten Runde Holzhammermäßig forciert:
"Hey, dich hab ich doch gestern schon gesehen!"
"Oh ja, lass uns unsere Shirts ausziehen."
Es wird mit sehr hohem Tempo gespielt. Die Lichtfrau blendet sehr schnell zu schwarz, Szenenwechsel mit neuen Spielern in Position und weiter geht es. Es fallen nie mehr als 4 Sätze, oft nur ein oder zwei. Ab und zu wird für kleine Games das Publikum befragt. Es folgt dann eine zweite Runde, in der die Hosen fallen, ähnlich unelegant wie zuvor die Hemden. Es gibt bei so kurzen Szenen und späteren Freezetags keinerlei Beziehung zwischen den Charakteren, es sind reine Improv-Comedy-Einzeiler.
Zum Schluss lässt Nick noch das Publikum raten, welcher der Spieler denn Schwul wäre. Und zumindest da ist einiges an ehrlichem und schönen Humor sichtbar und die Gruppe wirkt erstmalig als Team.
Fazit: Ausziehen allein macht kein gutes Impro. Aber Spaß an dem flachen Trash hatten sowohl Spieler wie Publikum. Dann ist das schon in Ordnung.